Die Stimmung, die im Tierkreiszeichen Steinbock herrscht, wird oft mit dem Bild eines langen und mühsamen Aufstiegs auf einen Berg beschrieben. Zu diesem Zeichen gehören Begriffe wie arbeitsame Selbstdisziplin, Ausdauer und Beharrlichkeit, und dabei sind für den Steinbock, ebenso wie für saturngeprägte Bereiche, langsame Entwicklung und allmähliche Reifung charakteristisch. Steinbockbetonte Menschen können auch zwischen großer Strukturiertheit und Unstrukturiertheit, zwischen Arbeitswut und Trägheit wechseln – allmählich, im Lauf der Zeit, wird vielleicht das individuell richtige Maß gefunden.
Eigenverantwortung und Autonomie sind zwei zentrale Themen des Zeichens und gleichzeitig wesentliche Entwicklungsaufgaben. Werfen wir einen Blick auf den Mythos, vor allem auf Kronos, der dem Steinbockherrscher Saturn entspricht: Uranos, der Himmel, drängt seine Kinder in den Schoß der Erde zurück, unter ihnen auch Kronos. Gaia, die Mutter Erde und seine Gemahlin, will sich für diese Kränkung rächen und stattet Kronos mit einer Sichel aus, mit der dieser den schlafenden Vater entmannt. Kronos wird daraufhin der Herrscher der Welt und vermählt sich mit seiner Schwester Rhea, aber aufgrund einer Prophezeiung, dass ihm dasselbe Schicksal widerfahren würde wie seinem Vater, verschlingt er in der Folge jedes seiner Kinder. Zeus kann davor aber gerettet werden, befreit seine Geschwister und entmachtet den Vater Kronos. Trotz der Versuche von Kronos, seine Macht mit allen Mitteln abzusichern, erfüllt sich also die Prophezeiung – so wie er einst seinen Vater gestürzt hat, wird auch er vom Thron gestürzt.
Die saturnische Erfahrung ist die, dass man erntet, was man sät. Eigenverantwortung bedeutet, sich selbst für das eigene Leben verantwortlich zu fühlen, was wiederum heißt, zunächst einmal für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, sich um das eigene Wohlergehen zu kümmern, bevor darüber hinaus Verantwortung übernommen werden kann. Ein solches Verständnis bedeutet auch, Belastungen abzulegen, die man nicht tragen kann, oder sich gegenüber Erwartungen abzugrenzen, die man nicht erfüllen kann. Das erfordert natürlich Ehrlichkeit sich selbst und anderen gegenüber – und es erfordert auch, sich eigene Schwäche einzugestehen, was dem Steinbock nicht gerade leicht fällt.
(Natürlich gibt es genug, wofür man nicht verantwortlich ist. Jemand, der eigenverantwortlich denkt, wird das aber unterscheiden können bzw. den eigenen Anteil an einer Situation erkennen.)
Das zweite große Entwicklungsthema des Zeichens, die Autonomie, also die Selbstbestimmung, leitet sich ab von Saturns Verbindung zum Gesetz, zur etablierten gesellschaftlichen Ordnung, zu Normen und Konventionen. Im Steinbock geht es um das Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung, aber wenn sich der steinbock- oder saturnbetonte Mensch ausschließlich daran orientiert, was „man“ tut oder nicht tut, wird keinerlei Empfinden für die eigenen, individuellen Maßstäbe entwickelt. Autonom zu leben bedeutet wörtlich übersetzt, nach eigenen Gesetzen zu leben. So kann sich zum Beispiel das steinbocktypische Pflichtgefühl gegenüber allgemein anerkannten Leistungen mit der Zeit auf die eigenen, individuellen Begabungen verlagern, die man ja als Geschenk und ohne eigenes Zutun bekommt und denen gegenüber man sich zunehmend verpflichtet fühlen kann.
Den Grundthemen eines Zeichens begegnet man am deutlichsten dann, wenn wichtige Transite oder Progressionen die entsprechenden Punkte im Geburtshoroskop berühren, also hier beispielsweise bei einem Transit von Pluto oder einem anderen langsam laufenden Planeten über die Steinbocksonne oder den Steinbock-Aszendenten. In den Lebensbereichen, in denen der Transit stattfindet, etwa im Beruf oder im Bereich der Gesundheit, wird durch die Umstände oder durch Ereignisse die Entwicklung von Eigenverantwortung und Selbstbestimmung herausgefordert. Vielleicht macht man die Erfahrung, dass man sich in diesen Bereichen auf Autoritäten und bestehende Ordnungen nicht mehr verlassen kann, weshalb man eigene Wege suchen muss. Im Fall von Plutotransiten geht es um Entwicklungs- und Veränderungsprozesse, die einige Jahre dauern, die mit großen persönlichen Herausforderungen verbunden sein können, aber letztendlich zur Reifung beitragen.
Kronos-Saturn ist mythologisch mit der Erde verbunden, der Steinbock gehört zum Element Erde, zum Realitätsprinzip. Die irdische Wirklichkeit setzt Grenzen und verlangt mühevolle Arbeit, aber die Erde zeigt sich auch fruchtbar und bringt, wenn die Zeit gekommen ist, reiche Ernte hervor. Kronos ist auch der Herrscher des „Goldenen Zeitalters“, in dem nach antiker Vorstellung die Menschen im Einklang mit der Natur lebten und von ihr mit üppiger Nahrung beschenkt wurden. Es herrschten Fülle, Genuss und Frieden. Der römische Saturn vermählt sich mit Ops, Göttin der Saat, der Ernte und des Überflusses, und er lehrt die Menschen in Latium, wohin er nach seiner Entmachtung flieht, den Acker- und Weinbau.
Der steinbockbetonte Mensch, der die Begrenzungen der Wirklichkeit wie der eigenen Person anzunehmen gelernt hat und anfängt, aktiv seinen Beitrag in der Gesellschaft zu leisten, kann irgendwann auch die Früchte seiner Bemühungen ernten, auch wenn der Weg dorthin manchmal lang und steinig ist. Die Dualität von Kargheit und Fülle findet man auch in der Charakteristik des Zeichens: Hinter äußerer Kühle und Gefühlskontrolle verbergen sich eine sentimentale Ader und ein ausgeprägtes sinnliches Empfinden.
Begriffe zum Steinbock-Prinzip:
Konzentration, Vorsicht, Zurückhaltung, Ausdauer, Beharrlichkeit, Bescheidenheit, Genügsamkeit, Wirklichkeitssinn, Treue, Pflichtgefühl, Zuverlässigkeit, Verantwortung, Kontrolle, Kontrolliertheit, Ernsthaftigkeit, Arbeit, Struktur, Disziplin, Ordnung, Kargheit, Klarheit, Nüchternheit, Begrenzung, Widerstand, Hemmung, Starre, Streben nach Anerkennung und Erfolg, nach materieller Sicherheit, Stolz, Machtstreben, Autorität, Selbstüberwindung, äußere Kühle bei gleichzeitig verborgener Sinnlichkeit und Gefühlstiefe, Scheu, Verschlossenheit, Abgrenzung, Mangel an Vertrauen.
Anmerkung:
Ich beschreibe hier ein Urprinzip in seiner Reinform, die charakteristischen Themen eines Zeichens, wie sie für Deutungen herangezogen werden. Für eine individuelle Deutung muss aber natürlich das gesamte Geburtshoroskop betrachtet werden.